Interview mit (k)einem Vampir: Im Gespräch mit Katrin Redepenning, Teil 1

Faszination Blutsauger: Wir tauchen tief in die Welt von Graf Dracula, dem wohl bekanntesten Urvampir, ein und werfen einen Blick auf seine zahlreichen Nachfolger (und Nachahmer) in Literatur, Film und Fernsehen.


Liebe Katrin, wir haben uns bei einem deiner Regiekurse kennengelernt. Plötzlich kam die Thematik „Dracula“ auf und ein Nerv war getroffen. Für uns stand fest: Darüber müssen wir uns mal in Ruhe unterhalten! Was ist denn deine allererste Erinnerung an Vampire?


Liebe Natascha, vielen Dank für Deine Frage. Ich kann mich da noch ganz genau dran erinnern. Wir waren im Urlaub – meine Eltern, mein kleiner Bruder und ich. Und meine Mutter hat uns das erste Mal „Der kleine Vampir“ von Angela Sommer-Bodenburg vorgelesen. Wir waren total fasziniert und haben anschließend, nachdem sie aus dem Zimmer gegangen war, noch lange Vampire mit unseren Plüschtieren gespielt.

Graf Zahl aus der Sesamstraße

Mit den Büchern des kleinen Vampirs war der Grundstein gelegt, und es folgten unzählige weitere literarische Momente mit verschiedenen Vertretern dieses Genres. Wobei ich aber Bram Stokers Meisterwerk „Dracula“ noch immer (für mich persönlich) in den Vordergrund stelle. 

Ach ja: Mittlerweile habe ich seit einigen Jahren das passende Vampirpüppchen in Gestalt von Graf Zahl – eine richtig schöne Bauchrednerpuppe. In der Originalversion heißt die Handpuppe übrigens “Count von Count”, weil sie den kleinen Zuschauerinnen und Zuschauern das Zählen beibringt. Ein schlaues und amüsantes Wortspiel, das sich auf Deutsch natürlich leider nicht so leicht umsetzen ließ: The count counts …

Kürzlich hast du dann sogar einen Online-Kurs zum Thema „Heldenreise und Beziehungsmuster der jeweiligen Rollen am Beispiel ‚Dracula’ von Bram Stoker“ gegeben. Wie kam es dazu? Wieso passt dieses Stück Literaturgeschichte besonders gut zum Dramadreieck?


Der Auslöser warst eigentlich sogar Du, denn wir haben in einem der Regiekurse ja unsere gemeinsame Liebe zu Dracula entdeckt. Da war dann sofort klar, dass dieser wunderbare Stoff in einem Extrakurs behandelt werden muss. Ich selbst habe vor etlichen Jahren bei meinem ehemaligen Lektor einen Kurs für Autoren besucht. Da kam auch u.a das Thema „Heldenreise“ zur Sprache, und mich hat dieses „Storyboard“ für Autoren sehr begeistert. Ich analysiere fast jedes Buch und jeden Film auf diese Herangehensweise.

Dracula habe ich bereits mit 13 Jahren das erste Mal gelesen. Ich fand es als Hardcover in der Bücherei. Eigentlich war ich auf der Suche nach etwas anderem, aber als ich diesen Stoff entdeckte, war mein ursprüngliches Vorhaben sofort vergessen. Die Bibliothekarin wollte mir das Buch eigentlich gar nicht ausleihen (weil angeblich zu jung), aber irgendwie konnte ich sie dann doch erweichen.

Dracula bedient fast alle Stationen der Heldenreise, und zwar aus zwei Ansichten, nämlich der männlichen Seite von Jonathan Harker und Mina Murray (später Harker). Jede Figur macht für sich eine Heldenreise durch. Und auch die anderen Figuren – hätte man sie jetzt zur Hauptperson erkoren – durchleben für sich genommen den Zyklus der Heldenreise im eigenen Stil.

Regiekurs über Zoom am Beispiel von “Dracula”
Graf Dracula ist also nicht nur Verfolger/Täter, sondern auch tragischer Held/Opfer. Die Figur bleibt nicht statisch, sie entwickelt sich. Was macht das mit dem Zuschauer?


Der Graf bedient alles, was sowohl Faszination, Verständnis, Erotik und Grauen bedient. Er ist das schöne faszinierende Raubtier. Es kann zahm sein (z.B. wenn es liebt oder satt ist), aber auch jeden Moment unberechenbar zuschlagen. Der Vampir ist in der Literatur fast immer mit Erotik verknüpft. Wenn man sich die Figuren im Dramadreieck anguckt, hat der Held immer einen Gegenspieler.

Der Held im ersten Teil des Buchs „Dracula“ ist Jonathan Harker; sein Gegenspieler wird von der Titelfigur Dracula verkörpert. Dracula ist der dunkle erotische Held, spannend, unberechenbar, mächtig und gefährlich, vor allem aber sinnlich und in der Zeit, als Stoker das Buch verfasste (viktorianisches Zeitalter) eine Möglichkeit, verschleiert von sexuellem Begehren zu schreiben.

Alle Figuren aus Bram Stoker’s Roman sind sehr facettenreich. Mal abgesehen vom Grafen, welche Person findest du ebenso spannend? Für mich ist es glaube ich van Helsing – oder Mina als braves Mädchen, das vielleicht gar nicht so brav ist …


Hm, eigentlich mag ich alle Figuren, ich finde sie sehr gut ausgearbeitet. Tatsächlich habe ich gar keine richtige Präferenz. Auch Renfield oder Dr. Seward sind beispielsweise sehr gut beschrieben und spannend. Irgendwie kann ich mich nicht so richtig festlegen.

Danke, Katrin! Ich denke, wir könnten noch stundenlang weiter quatschen – und das sollten wir auch. Also: Stay tuned. Teil 2 unseres schaurig-schönen Interviews folgt schon bald …

 

„Wege sind dazu da, dass man sie geht.” – Katrin Redepenning

Über Katrin Redepenning

Katrin Redepenning ist Sängerin, Gesangs- und Theaterpädagogin und in Hamburg für verschiedene Auftraggeber im Bereich der darstellenden Künste tätig. Nähere Informationen können Sie der Homepage entnehmen: www.katrin-redepenning.de